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DerGrasendeSteinbergKönig

Projektjahr: 2011

Ein Wesen, Angst einflößend, eine Verschmelzung aus Widder und Kuh mit drei gebogenen Hörnern auf dem Kopf und einer grässlichen Rücken-Zacken-Flügel-Flosse

KünstlerIn: Maria Theresia Rössler

Schule: Hauptschule Leogang

Skulptur: DerGrasendeSteinbergKönig

 

Vor langer langer Zeit brach in den Leoganger Steinbergen ein Riesenstreit unter den Tieren aus, die seit Urzeiten dort lebten. Sie konnten sich einfach nicht einigen, wer von ihnen der schönste, klügste und tüchtigste war. „Niemand schwimmt so gut wie ich", sagte der Fisch und steuerte mit seiner Flosse lautlos durch den Bergsee. „Ich bin der König der Lüfte!", behauptete der Adler und schwang seine Flügel, dass beinahe ein Sturm losbrach. „Ich bin der beste Jäger!", sagte der Fuchs und ließ kein Gegenargument zu. Der Streit begann zu eskalieren. Plötzlich zog ein fürchterliches Gewitter auf. Es blitzte und donnerte, undurchsichtige Nebelschwaden umhüllten die Berge.

Als das Gewitter vorüber war und sich der Nebel lichtete, war von den streitenden Tieren nichts mehr zu sehen. An ihrer Stelle stand da ein undefinierbares Angst einflößendes Wesen: eine Verschmelzung aus Widder und Kuh mit drei gebogenen Hörnern auf dem Kopf und einer grässlichen Rücken-Zacken-Flügel-Flosse. Als das Wesen im Wasser des Bergsees sein Spiegelbild sah, erschrak es dermaßen, dass es ein paar Schritte zurücktaumelte.
„Das kann nicht wahr sein", murmelte es.

Das Wesen schämte sich für sein Aussehen. Es versteckte sich in der nächsten Höhle und beschloss, nie wieder ans Tageslicht zu kommen. Es hatte Angst, dass jemand es so sehen würde. Plötzlich begriff es, wie dumm der Schönheitsstreit gewesen war.

Eines Tages wanderte ein 15jähriger Junge die steile Bergstraße hinauf, als er plötzlich über einen Stein stolperte. Unglücklicherweise fiel er ins Birnbachloch, eine Art Bergsee. Krampfhaft versuchte der Junge an der Wasseroberfläche zu bleiben. Kurz bevor ihn seine Kräfte verließen, tauchte ein Wesen vor ihm auf und zog ihn aus dem Wasser.
„Bitte lass mich am Leben!", schrie der Junge angsterfüllt.
„Ich tu dir nichts", sagte das Wesen und setzte den Jungen auf den Boden.
„Wer bist du?", fragte der Junge. „Warum hast du mich gerettet?"
„Ich bin ein Niemand", sagte das Wesen. „Ich habe dich gerettet, weil ich Mitleid mit dir hatte. Außerdem fühlt es sich gut an, jemanden gerettet zu haben." Nach diesen Worten wandte sich das Wesen um und begann zu grasen.
Als sich der Junge ein wenig erholt hatte, ging er ins Dorf zurück. Ein paar Mal drehte er sich um, so als wollte er sich bei dem grasenden Wesen bedanken.

„Hört", rief der Junge im Dorf. „In den Bergen haust ein magisches Wesen. Es hat mich vor dem Ertrinken gerettet!"
„Klar", witzelte der Dorfvorsteher und schüttelte den Kopf.
„Ich bin in das Birnbachloch gestürzt", erzählte der Junge weiter, „und ihr weißt doch, dass ich nicht schwimmen kann."
„Das stimmt", sagte der Vater.
„Ein Wesen mit einer komischen Rücken-Zacken-Flügel-Flosse hat mich aus dem Wasser gezogen. Aber bevor ich mich richtig bedanken konnte, war es wieder weg."
„Das sollten wir dir glauben?", fragte ein Mann.
„Ein schönes Märchen", meinte eine Frau.
Lautes Gelächter ertönte. Niemand glaubte dem Jungen, niemand nahm seine Worte ernst. Das machte den Jungen traurig, und so zog er sich als Hirte in die Berge zurück.

Ein paar Wochen vergingen. Dann kam der Tag, an dem der Bäcker zur Passauerhütte aufstieg. Er setzte einen Schritt nach dem anderen und war schon bald am steilsten Stück angelangt. Er tastete mit der Hand nach dem nächsten Stein, doch da war keiner. Er versuchte sich mit dem Fuß hoch zu drücken, aber der Stein, auf dem er stand, war so glatt, dass er wegrutschte. Er fiel mit einem lauten Schrei in die Schlucht hinab.
Der Schrei drang bis in die Höhle des magischen Wesens. Dieses sprang sofort auf, setzte seinen Rückenflügel ein und flog in die Richtung aus der der Hilfeschrei kam. Es fing den Bäcker auf und brachte ihn auf sicheren Boden.
Auch der Bäcker berichtete den Dorfbewohnern - wie der Junge vor ihm - von seiner Rettung durch ein magisches Wesen.
"Es grast da oben in den Bergen", erzählte er.
Aber wieder wollte niemand so recht an die Geschichte glauben.

Ein anderes Mal steckte ein Hirsch mit seinem Geweih an einem Baum fest. Er röhrte verzweifelt und hätte das magische Wesen ihn nicht mit seiner Rückenzacke befreit, wäre das schöne Tier sicher zu Tode gekommen.

Im Frühling löste sich eine Lawine vom Berg und donnerte mit lautem Getöse zu Tal. Die Menschen im Dorf glaubten, dass dies keiner überleben würde. Doch plötzlich stoppte die Lawine. Mitten im Steilhang.

Von diesem Tag an wussten die Leoganger, dass da oben in den Bergen wirklich ein magisches Wesen hauste, das sie alle beschützte. Sie nannten es liebevoll den GrasendenSteinbergKönig und errichteten ihm aus Dankbarkeit ein Denkmal auf der Wiese an der Krallerbrücke.


(Schreib- und IllustrationsWerkstatt Hauptschule Leogang, Marz + April 2011)

 

KünstlerIn: Maria Theresia Rössler

Schule: Hauptschule Leogang

Skulptur: DerGrasendeSteinbergKönig